Samstag, 25.01.2025 11:17 Uhr

Marineflieger beim Training im Sunshine State

Verantwortlicher Autor: Dennis Deis / Sebastian Leuchter Keystone Heights, 05.12.2024, 22:18 Uhr
Presse-Ressort von: Dennis Deis Bericht 1841x gelesen
MHD´s P-3 Orion auf dem Vorfeld in Keystone Heights
MHD´s P-3 Orion auf dem Vorfeld in Keystone Heights  Bild: Dennis Deis

Keystone Heights [ENA] Zur Schulung deutscher P-3C Besatzungen kooperiert die Marine mit ESG Aerosystems, welche sich wiederum bei der amerikanischen MHD Rockland einmietet. MHD betreibt eine zivile Flotte ehemaliger RAAF AP-3C Orion, die zur Ausbilung der Partnernationen genutzt werden. Wir waren mit an Bord.

Keystone Heights, im Nordosten des Sonnenstaates Florida, rund sechzig Kilometer südwestlich von Jacksonville inmitten der dort typischen Seenlandschaft gelegen, macht mit seinen gerade einmal 1600 Einwohnern einen eher verschlafenen Eindruck. Wird die Stille von einem dumpfen Brummen unterbrochen, so handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine der am dortigen Flughafen mit dem FAA Code 42J (kleinere amerikanische Airports besitzen keine sonst typischen IATA oder ICAO Kürzel) stationierten grau-rot lackierten und zivil registrierten Lockheed L-285D (AP-3C Orion) von MHD Rockland.

Viermotorige Propellerflugzeuge dieser Größenordnung würde man hier heutzutage weniger vermuten, wo doch der früher auch militärisch genutzte Flughafen in einer Art Dornröschenschlaf liegt. Von den Ausmaßen mit über einem Hektar Fläche nicht klein und mit zwei rund 1500 Meter langen Runways in 5/23 sowie 11/29 Ausrichtung aufwartend wurde der Platz 1942 von den United States Army Air Forces erbaut und war ursprünglich als Crystal Lake Army Airfield bekannt. Am Ende des gleichen Jahres erfolgte sodann schon die Umbenennung in Keystone Army Airfield, welches im Zweiten Weltkrieg Heimat der AAFSAT (Army Air Forces School of Applied Tactics) Strategic Reconnaissance School war.

Flugzeugtypen wie A-20 Havoc, P-39D Air Cobra und L-2/L-3 Grasshopper waren zu Ausbildungszwecken in Keystone AAF stationiert. Im Februar 1945 wurde der Platz vom Militär in den inaktiven Status versetzt, etwas über zwei Jahre später erwarb die Stadt Keystone Heights den Flughafen, der rund 32.000 Flugbewegungen im Jahr zählt und neben der freien Industrie und einem Motorsportpark auch einige Luftfahrtbetriebe beherbergt. Eine der am Keystone Heights Airport ansässigen Firmen ist das 1981 ursprünglich als MHD International Aircraft Parts Inc. gegründete Unternehmen MHD Rockland.

MHD hat sich zu einem führenden, global agierenden Anbieter von Ersatzteilen und Dienstleistungen entwickelt und bedient eine Vielzahl von Flugzeugtypen wie beispielsweise Lockheed C-130 Hercules und P-3 Orion, F-16 oder Alenia C-27 Spartan. Ziel des Unternehmens ist es, Flottenbetreiber und Wartungsstationen auf der ganzen Welt mit benötigten Ersatzteilen zu versorgen, um Wartungsaufenthalte und Ausfallzeiten so gering wie möglich zu halten. Der technische Support von MHD unterstützt somit tagtäglich Militär- und Verkehrsflugzeugbetreiber weltweit und trägt damit zu effektivieren Arbeitsabläufen bei.

Hierzu verfügt man über die größten nicht-militärisch gelagerten C-130 und P-3 Ersatzteilbestände (über 350.000 Einzelposten im Gesamtbestand) und beschäftigt rund um den Globus etwa 100 Mitarbeiter, deren 20 es in Keystone Heights sind. Die anderen Standorte sind Brisbane/Australien, Auckland/Neuseeland und Crofton im amerikanischen Bundesstaat Maryland. In Kanada operiert man von Burlington/Ontario sowie Montreal aus, wo sich auch der Hauptsitz des Unternehmens befindet. MHD Rockland ist seit 2012 in Florida präsent und erhielt im gleichen Jahr von Space Florida eine Genehmigung für eine Finanzierung in Höhe von 24 Millionen US Dollar, um ein Pilotenschulungs- Service- und Ressourcenzentrum in Keystone Heights zu errichten.

Eine der P-3 Orion währnend der Startvorbereitungen (Foto: Dennis Deis)
Blick ins fast schon nostalgische Cockpit des Seeüberwachungsflugzeuges (Foto: Dennis Deis)
Zwei der vier mächtigen Propeller im Reiseflug über den USA (Foto: Dennis Deis)

Damit fanden auch Dienstleistungen im Bereich der Flugausbildung ihren Weg ins Portfolio des Unternehmens, wobei das Hauptaugenmerk auf der P-3 Ausbildung liegt. Fünf ehemals bei der Royal Australian Air Force (RAAF) fliegende Lockheed AP-3C Orion wurden im Rahmen einer Auktion erworben, entmilitarisiert und als Lockheed L-285D ins zivile Register der Federal Aviation Administration (FAA) eingetragen und sind hierzu am Flughafen von Keystone Heights stationiert. Hier verfügt man nach erfolgtem Ausbau des Standortes über die Ausstattung, um Flugschüler für die praxisnahe Ausbildung aufzunehmen.

Die Trainingsmissionen und auch Streckenflüge starten alle ab dem Heimatflughafen von Keystone, Platzrunden und Trainings werden auch auf anderen ausgewählten Plätzen geflogen, jedoch verlegen die Viermots nicht zu anderen Orten. Der tadellose Zustand der Orions lässt erahnen, dass das Wartungsteam im MHD Hangar eine ganz besondere Beziehung zu den Maschinen pflegt. Auch aus anderer Sicht geht es in dem kleinen Unternehmen mit flachen Hierarchien sehr familiär zu – so hat der Eigentümer von MHD Rockland, Bryan Dollimore, mit Ausnahme der N656T, die dem Programmmanager Todd Falconer gewidmet ist, alle Registrierungen seiner Lockheed L-285D den Initialen von Familienmitgliedern zugeordnet.

Die numerische Komponente ist Teil der ehemaligen RAAF Registrierung, um einen einfachen Bezug hinsichtlich Dokumentation der Flugzeuge zu ermöglichen. Vier der fünf ehemaligen AP-3C der australischen Marine, N661MK (ex A9-661), N662JD (ex A9-662), N664SD (ex A9-664) sowie N665BD (ex A9-665) wurden bereits mit der auffallenden MHD-Farbgebung versehen. N662JD wurde seit ihrer Ankunft aus Australien und der Übernahme durch MHD am häufigsten geflogen und ist regelmäßig auf Trainingsflügen aktiv. N665BD wurde seitens MHD auf ein modernes Glascockpit umgerüstet und erhielt ein umfassendes Fluginstrumenten-Upgrade.

Aufgrund seines vom Standard abweichenden Cockpits wird das Flugzeug nicht für die Flugausbildung verwendet, sondern soll nach weiteren Umbaumaßnahmen dem wachsenden Bedarf an Feuerlöschflugzeugen zu Gute kommen und wie zahlreiche andere Lockheed Electras (die zivile Version der Orion) der Brandbekämpfung dienen. Kurz- bis mittelfristig möchte man drei Orions umrüsten, um dem Defizit von großen Feuerlöschflugzeugen entgegenzuwirken und auch in diesem mitunter lukrativen Markt Fuß zu fassen. Im Zuge der Umrüstungen vor der Inbetriebnahme durch MHD wurden bei drei der Orions (N662JD, N664SD, N665BD) die Antennen entlang des unteren Rumpfes entfernt.

N656T und N661MK sollen zukünftig ebenfalls für die Flugausbildung verwendet werden, behalten aber vorerst ihre Antennen und Sensoren, um gegebenenfalls Test- und Erprobungsflüge durchführen zu können. Aus Gewichts- und Wartungsgründen wurden die seitens der RAAF genutzten, oben erwähnten Anbauten entfernt, da im Ausbildungsbetrieb lediglich Cockpitcrews trainiert werden und die zur Seeüberwachung nötigen Bedienerplätze in der Kabine der demilitarisierten Orion unbesetzt bleiben. Während viele Betreiber ihre Orion-Flotten bereits ausgemustert haben oder an der Einführung der Nachfolger arbeiten, plant man bei MHD Rockland langfristig mit der erstmals 1962 eingesetzten Lockheed P-3 Orion.

Nach über 60 Dienstjahren gilt sie bei vielen Crews immer noch als das ultimative Seepatrouillenflugzeug. So sollen die aktuell fünf flugfähigen Exemplare noch viele Jahre im Dienst bleiben und wenn es nach den Plänen des Betreibers geht auch noch Zuwachs bekommen. Bei MHD ist man kontinuierlich auf der Suche nach brauchbaren P-3 Orion, um die Flotte für die wachsenden Aufgabengebiete zu erweitern. Während der strategische Partner MHD für den Flugbetrieb verantwortlich ist, wird der Lehrbetrieb an dessen Standort seit Ende 2020 von ESG Aerosystems (welche kürzlich durch Hensoldt übernommen wurde) geleitet.

Höchste Konzentration während der Trainingsmission (Foto: Dennis Deis)
Flugvorbereitung im Headquarter - ESG bietet das komplette Spektrum (Foto: ESG Aerosystems)
Nach dem Flug ist vor dem Flug...hier wird die Maschine direkt nach der Landung gecheckt (Foto: Dennis Deis)

Diese ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der 1967 gegründeten deutschen ESG (Elektronik-System-Gesellschaft GmbH) welche seinerzeit zur Entwicklung des Tornados beigetragen hat und heute immer noch vorwiegend im Rüstungsbereich tätig als ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH fungiert. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Führungs- und Informationssysteme, komplexe Avionik und ist zugelassener Luftfahrtbetrieb für Fluggeräte der Bundeswehr sowie luftfahrttechnischer Betrieb nach EASA Part 21J/G, Part 145, Part M (CAMO) und verfügt über ein Air Operator Certificate. Aktuell ist die ESG im Rahmen der Einführung der neuen Plattformen schwerer Transporthubschrauber (CH-47F Chinook) und Marine-Seefernaufklärer P-8A Poseidon tätig.

Der 2016 per Handschlag besiegelten Partnerschaft zur kommerziellen Ausbildung von Orion-Crews folgte im Jahr 2017 die formelle Gründung der ESG Aerosystems Inc. Der Aufbau des neuen Unternehmens hatte einen simplen Grund: mit der näher rückenden Ausmusterung der P-3 Orion bei der US Navy am Stützpunkt Jacksonville sollten über die Jahre auch die bislang dort stattfindenden Ausbildungskurse internationaler Crews abnehmen. Auch die deutsche Marine nutzte die Möglichkeiten auf der drittgrößten Naval Air Station der Vereinigten Staaten und schätzte nicht nur die Trainingsmöglichkeiten im dortigen Simulator.

Ende Juni verabschiedete man beim Seepatrouillengeschwader Patrol Squadron Thirty (VP-30) „Pro´s Nest“ in Jacksonville nach fast fünfzig Jahren Flugbetrieb die letzte P-3C aus dem aktiven Dienst um fortan gänzlich auf den Nachfolger in Form der P-8A Poseidon zu setzen. Der über Jahre geebnete Übergang des Ausbildungsbetriebes zum nicht fernen Standort macht sich nun bezahlt und beweist, dass ein kleines Team auf der Grundlage von Vertrauen und Engagement Großes bewirken kann, wie es seitens der ESG heisst. Bereits 2019 genehmigte die US-Regierung einen Antrag Deutschlands zur Ausbildung von P-3C Besatzungen im Rahmen eines Foreign Military Sales Contracts, welcher einen 5-Jahres-Vertrag im Wert von rund 54 Millionen Euro beinhaltete.

Hierbei konzipiert ESG die Ausbildung und entwickelt die Lehrpläne für die Besatzungsmitglieder auf den unterschiedlichen Positionen (Co-Pilot, Flugzeugkommandanten, Fluglehrer, Flugingenieure, Lehr-Flugingenieure) für die Anfangs- und Wiederholungsausbildung. Neben der Flugausbildung setzt man auf computerbasiertes Training und die Lehrpläne werden als co-kreativer Prozess gemeinsam mit den Kunden weiterentwickelt. Ebenso unterstützt ESG durch ihre Fähigkeiten im Bereich Programmmanagement sowie strategischen Beratungsleistungen. Der Vertrag wird zu 100% aus Mitteln der Bundesrepublik Deutschland finanziert, um die Einsatzbereitschaft der P-3 Flugbesatzungen der Deutschen Marine bis zur Ablöse durch den Nachfolger P-8A Poseidon zu sichern.

Neben deutschen profitieren auch griechische P-3C Crews von den Kompetenzen des MHD/ESG Teams, Gespräche zur Ausbildung von Orion-Crews aus Chile laufen und auch mit weiteren Nationen sei man in Kontakt, wie Chefpilot William „Billy B“ Bushman im Interview verrät. Derzeit sind sechs Vollzeitmitarbeiter (4 Fluglehrer und 2 Flugingenieure) bei ESG Aerosystems beschäftigt. Zwei davon dienen weiterhin als Reservisten bei der US Navy, die anderen sind nach langjährigen Dienstzeiten aus der amerikanischen Marine ausgeschieden und konzentrieren sich nun ganz auf ihre zivile Anstellung.

Die kleine aber dafür sehr erfahrene Gruppe weist zusammen mehr als 18.000 Flugstunden und Wartungserfahrung auf verschiedenen Flugzeugtypen (darunter P-3C Orion, P-8A Poseidon, F-18 Hornet oder MQ-4 Triton) vor und ist vollständig nach neuesten FAA Vorschriften qualifiziert. Jedes Teammitglied fungierte bereits in der Navy als Ausbilder und hat langjährige Erfahrungen im Training mit Flugschülern aus den verschiedensten Ländern. So hat Chief Operations Officer Michael „Cajun“ Granger hat seit 1991 mehr als 4500 Flugstunden auf diversen Typen gesammelt und war nach weltweiten Einsätzen als leitender Offizier bei der Maritime Patrol and Reconnaissance Weapons School tätig.

Als Ausbilder gab er sein Wissen bereits an Schüler aus Argentinien, Chile, Deutschland, Griechenland und Norwegen weiter. Der erste Meilenstein konnte mit Abschluss des Lehrgangs 01/2021 erreicht werden, mit welchem die weltweit ersten zivil ausgebildeten P-3C Orion Co-Piloten zurück an ihre Geschwader verabschiedet wurden. Die Dauer der Trainings- und Ausbildungsprogramms variiert je nach Ausbildungsstand und Herkunft der Besatzungen, wonach sich dann auch die Anzahl an Simulator- und Flugstunden im Realbetrieb orientiert. Neben militärischen Kunden bietet man auch den Piloten und Flugingenieuren der NASA Schulungen an, denn auch die Raumfahrtbehörde ist Betreiber der Orion.

Gleichzeitig unterstützen die ESG-Crews auf wissenschaftlichen Forschungsmissionen auch gelegentlich die Orion-Crews der NASA. Darüber hinaus ist man auch weiter am alten Ausbildungsstandort in Jacksonville aktiv, wo man gemeinsam mit Boeing ein P-8A International Training Center aufbaut, um Betreibern des P-3 Nachfolgers Schulungen anbieten zu können. Noch befindet sich dieses Programm im Aufbau, jedoch freut man sich schon darauf das Schulungsportfolio um diesen Punkt zu erweitern, um auch auf lange Zeit hinaus Teil der (so wörtlich) großartigen Gemeinschaft von Seepatrouillenflugzeugen sein zu können. Doch vorrangig plant man mit der robusten P-3, für die man in Keystone Heights noch einen weiteren Hangar errichten wird.

Auch ein neuer Flugsimulator soll während der nächsten beiden Jahre in Betrieb genommen werden. Basierend auf den Erfahrungen des technischen Betreibers MHD Rockland wird man die immer noch zahlreichen Betreiber der Lockheed P-3C Orion weiterhin individuell unterstützen können, da das Muster noch bis über das Jahr 2030 hinaus im Flugbetrieb verbleiben soll. ESG Aerosystems steuert seinen Teil dazu bei, indem es den Kunden alle operativen Fähigkeiten zur ständigen Missionsbereitschaft ermöglicht, immer unter Gewährleistung des höchsten Schulungsniveaus.

Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von European-News-Agency können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.
Zurück zur Übersicht
Photos und Events Photos und Events Photos und Events
Info.